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... Stephen Willard befand sich zum erstenmal in New Orleans. Er durchwanderte die engen, alten Gassen des Vieux Carré. Gewiss, ihm machte es Freude, herumzubummeln und diese müden Bauwerke anzuschauen. Aber er fand N´Aulins (wie die Einheimischen ihre Stadt nennen) bei weitem nicht so interessant, wie die Reiseprospekte berichteten. Für einen Mann von Willards Stil war das neue New Orleans etwas ganz anderes. Versonnen stand er nun vor der Nachbildung jenes allerersten U-Bootes und versuchte sich in die beiden Männer hinein zu versetzen, die sich in diesem zerbrechlichem Gerät unter die Meeresoberfläche gewagt hatten. Er schüttelte leicht den Kopf, als er daran denken musste, dass man auf diese Weise den Bürgerkrieg hatte mitentscheiden wollen.
Gerade machte sich Willard wieder auf den Weg zu seinem Hotel, da der Regen aufgehört hatte, als er das Ehepaar aus dem Antiquitätenladen kommen sah. Willard stand auf der anderen Straßenseite unter dem Blechdach, mit dem das Standbild des Heiligen Joseph gegen Regen und Staub geschützt wurde. Und so konnte er beobachten, dass diese zwei auf der anderen Straßenseite arg verstimmt weiter wanderten.
... worüber uneins?, fragte sich Stephen Willard, der zum erstenmal seit Jahren Ferien machte, und der daher bereit war, sich mit anderer Leute Sorgen zu befassen. Gekauft hat er etwas für sie. Er darf oder will es nicht tragen. Um Geld kann es ihnen kaum gehen. Was kann man in einem solchem Paketchen unterbringen? Eine Vase, ein antikes Salatbesteck, einen Dolch?
Ungeduldig ging Mr Lacham plötzlich zwei, drei Schritte vor, als könne er der Atmosphäre dieses Antiquitätenladens gar nicht rasch genug entkommen. Fleur bummelte gedankenverloren weiter. Sie achtete nicht auf ihre Umgebung.
Die Ursuline Street war wohl noch enger. Und Willard wunderte sich nun doch, dass die Dame im hellen Seidenkleid durchaus noch vor dem grauen Cadillac vorbei wollte. Der Mann am Steuer konnte gewiss nicht ahnen, was Mrs. Fleur Lacham vorhatte. Er trat zwar blitzschnell auf die Bremse. Doch stieß der rechte Kotflügel des schweren Wagens Frau Lacham ganz leicht gegen den Oberschenkel, während der Cadillac nach rechts hinüber schlitterte, bevor er zum Stehen kam.
Willard hatte diese Bewegung millimetergenau verfolgt. Er nahm an, dass überhaupt nichts passieren würde. Er wartete allenfalls auf einen kleinen Überraschungsschrei.
Doch Mrs Lacham glitt auf dem regennassen Kopfsteinpflaster aus. Unwillkürlich blieb Stephen Willard stehen, als er sah, wie sie fiel. Fleur Lacham stürzte so unglücklich, dass sie mit dem Kopf genau auf einen Prellstein fiel.
Dessen Krone war mit den üblichen New Orleanser Gusseisenverzierungen versehen.
»Schädelbruch«, konstatierte Willard entsetzt, als er das Blut spritzen sah.
Was den Beobachter aber vielleicht noch mehr erregte, war die unbeteiligte Haltung, die der Ehemann zeigte. Mr Lacham hatte sich bei dem Bremsenkreischen herumgedreht. Er war zu weit entfernt, um das Unglück zu verhüten. Aber sein Gesicht bewies eindeutig jene Resignation, die besagt: Ich habe es kommen sehen, es gar nicht anders erwartet!
Unbeachtet rollte das fahlgrau eingeschlagene Paket unter den Balkon des Debye-Hauses. Stephen Willard musste sich gewissermaßen selbst aus dem Traum aufwecken. Auf ihn hatte diese Szene unheimlich und unwahr zugleich gewirkt. Und da lag nun die Verunglückte.
Willard hatte viele Tote in seinem Beruf gesehen. Er wusste, dass in diesem Falle Hilfe zu spät kommen würde. Doch ihm tat der benommen aus dem Wagen taumelnde Fahrer Leid, der wirklich vollkommen schuldlos an diesem Unglück war.
Mit eiligen Sprüngen jagte Willard auf den Schauplatz des Unfalles zu, packte den jammernden Fahrer fest beim Arm und forderte: »Los, Mann! Zusammenreißen! Da hinein! Ja, in die Papierhandlung! Telefon, Feuerwehr, Ambulanz, Polizei! Tempo, mein Junge!«
Der Mann ›funktionierte‹. Man hatte ihm die Verantwortung abgenommen. Er verschwand im Laden. Willard trat zu Mr Lacham ...
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